Schleimhautplastiken

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Inhalt

Nur nach GOZ, nicht nach GOÄ?

Besteht alternativ zu den Nummern 3100, 3240 GOZ (Ä2675) im Rahmen des Weichteil-Managements noch Raum für die Nummern 2381, 2382 GOÄ? Vorgetragen wurde die nicht allseits geteilte Auslegung der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und einer Anzahl von Länderkammern (LZÄK) beim GOZmasters 2018 durch den u. a. Vorsitzenden des GOZ-Ausschusses der Bundeszahnärztekammer, Dr. Wolfgang Menke.

Es sei zutreffend, wurde dazu von ihm ausgeführt, dass die Nummern Ä2381 (einfache Hautlappenplastik) und die Ä2382 (schwierige Hautlappenplastik/Spalthauttransplantat) auch intraoral im Rahmen dortiger chirurgischer Eingriffe anfallen und berechnet werden können. Es handele sich um selbstständige Leistungen im Sinne des § 4 (2) GOZ/GOÄ, die formal gemäß § 6 Abs. 2 GOZ für Zahnärzte und Oralchirurgen zugänglich sind und im Rahmen zahnärztlicher Chirurgie mit Lokalisation „im Munde“ zutreffend ansetzbar seien.

„Nein“, sagte Dr. Peter H. G. Esser, Mentor des GOZ-Expertengremiums in NR, „jedenfalls wenn man den Wortlaut der Leistungsbeschreibungen der Nummern 2381, 2382 GOÄ als ‚Hautplastiken‘ ernst nehmen würde.“ Zusätzlich sei der gebührenrechtliche Grundsatz zu beachten, dass die zutreffende GOZ-Leistung (z. B. 3100 „Wundverschlussplastik“, 3240 „kleine Vestibulum-/Gingivaextensionsplastik“) für Zahnärzte/Oralchirurgen intraoral (fast) immer Vorrang habe.

Es geht in der Diskussion im Kern also darum, ob die Ä2381, Ä2382 einen von den Nummern 3100, 4120 oder 3240 GOZ abweichenden, aber dennoch zutreffenden Leistungsinhalt im Rahmen der Zahnmedizin haben könnten? Und zuerst darum, ob es überhaupt eine intraorale zahnmedizinische Existenz für die Nummern 2675, 2677 GOÄ (größere Schleimhautplastiken) gibt?

Die These im Beitrag von Herrn Menke sagt, Wunddeckungsplastik nach Nr. 3100 GOZ erfordert Periostschlitzung. Das ist aber nicht umstritten.

Dann ist Wundverschluss ohne Schlitzung und ohne Plastik (reine Rückverlegung des Zugangslappens ins Wundbett) gemäß Allg. Bestim. D. abgegoltener Bestandteil der chirurgischen Grundleistung. Oder es handelt sich in Wirklichkeit gar nicht um einen Wundverschluss aufgrund eines anderen chirurgischen Eingriffs, sondern um eigenständige Wundsetzung durch eine selbstständige intraorale Schleimhautplastik nach den Nummern 4120, 3240 GOZ oder Ä2675.

Die Antithese sagt also zur Ä2381, 2382 (Hautlappenplastik), dass es gebührentechnisch irrelevant ist, ob Haut und Schleimhaut als tatsächlich „Körperoberfläche bedeckend“ gesehen werden. „Haut ist dennoch keine Schleimhaut“, lautet der gebührentechnische Einwand, ergänzt um die Feststellung: Der Zahnarzt muss nach GOZ abrechnen, wenn die Leistung dort zutreffend aufgeführt ist. Zitat § 6 Abs. 2 GOZ: „Die Leistungen sind nach den Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte zu berechnen, soweit die Leistungen nicht als selbstständige Leistungen oder Teil einer anderen Leistung im Gebührenverzeichnis der Gebührenordnung für Zahnärzte enthalten ist … “. 

Die Diskussion im Einzelnen

Es wurde der Wortlaut der Leistungsbeschreibungen in GOZ und GOÄ dargelegt:

  • GOZ-Nr. 3100: Plastische Deckung im Rahmen einer Wundversorgung einschließlich einer Periostschlitzung, je Operationsgebiet (Raum einer zusammenhängenden Schnittführung). Berechnungsbestimmung: Die Leistung nach der Nummer 3100 ist für dasselbe Operationsgebiet nicht neben der Leistung nach der Nummer 3090 berechnungsfähig.
  • GOZ-Nr. 3240: Vestibulumplastik oder Mundbodenplastik kleineren Umfangs, auch Gingivaextensionsplastik, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich, für einen Bereich bis zu zwei nebeneinander liegenden Zähnen, ggf. auch am zahnlosen Kieferabschnitt.
  • GOÄ-Nr. 2675: Partielle Vestibulum- oder Mundbodenplastik oder große Tuberplastik, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich.

Interpretationshinweis: „Einschließlich einer Periostschlitzung, …“ im gebührenrechtlichen Sinne bedeutet, dass die Leistung obligater Bestandteil einer Gebührennummer ist. „Ggf. einschließlich ...“ würde bedeuten, dass eine Leistung fakultativer Bestandteil einer Leistung ist. Das heißt, die GOZ Nr. 3100 kann nicht berechnet werden, wenn keine Periostschlitzung erfolgt.

Bei den Ausführungen zu den Nummern 3240 und Ä2675 betonte Menke, Nr. 3240 sei gedacht für kleine Vestibulumplastiken oder Verbreiterung der angewachsenen Gingiva (Gingivaextension) zur Beseitigung des Zugs der beweglichen Schleimhaut auf das marginale Parodontium, z. B. durch Edlan-Mejchar-Operation. Für größere Vestibulumplastiken ab einem Bereich von 3 Zähnen oder vergleichbarer Größe im unbezahnten Kiefer sei GOÄ Nr. 2675 ansetzbar.

Seine Frage „Wie können einfache Lappenplastiken ansonsten berechnet werden?“ könne damit beantwortet werden, dass dafür die Nr. Ä2381 (einfache Hautlappenplastik) zuständig sei. Die Antwort könnte aber auch lauten, eine Mobilisationsplastik (Unterminierungsplastik) sei (meist) Teil einer anderen „Zielleistung“, ein apikaler Verschiebelappen werde nach Nr. 4120 GOZ berechnet und ein kleiner (Tür-)Flügellappen sei entweder abgegoltene Zugangslappenbildung oder entspreche der Nr. 3240 GOZ.

Es wird der Inhalt eines Urteils des LG Köln bzgl. einer Rechnung aus dem Jahr 2006 angeführt: „Maßnahmen zur plastischen Deckung augmentierter Knochenareale nach Art einer einfachen Hautlappenplastik, die den Umfang eines primären Wundverschlusses übersteigen und nicht dem Leistungsinhalt der Geb.-Nummern 2254, 2732, 2442, 2677 GOÄ unterfallen, sind nach der Geb.-Ziff. 2381 GOÄ berechnungsfähig.“ (Siehe LG Köln vom 4.11.2009, Az.: 23 O 236/06.)

Gegenargumentation

Allerdings ist das Urteil zur GOZ’88 ergangen, die bezogen auf den novellierten § 6 Abs. 2 GOZ’12 deutlich abweichenden Inhalt hatte: Jetzt sind Deckungsplastiken von Augmentationen (9100 GOZ) abgegolten, die Nr. 2254 nur noch bei Kieferbruchbehandlung ansetzbar und bei den Nummern Ä2732 und Ä2442 der Indikationsrahmen durch konkurrierende GOZ-Ziffern eingeschränkt. Das LG Köln würde sich heutzutage sicherlich schwertun, die Aussage zur Ä2381 (zzgl. Hautlappenplastiken) bei jetzt existierender Konkurrenz der 3100 GOZ (Wundverschlussplastik) aufrechtzuerhalten.

Weiteres Urteil: „Bei gegebener eigenständiger Indikation ist die Geb.-Ziff. 2382 GOÄ als selbstständige Leistung, auch neben der Einbringung enossaler Implantate, berechnungsfähig.“

Zu dieser Zitierung eines Urteils zur Ä2382 (schwierige Hautlappenplastik) des AG Hannover (31.1.2008 Az. 427 C 16678/06) aus dem Prä-Novellierungszeitalter ist im Grunde dasselbe zu sagen, wie zuvor zur Ä2381 (einfache Hautlappenplastik): nicht mehr einschlägig in vielfacher Hinsicht.

Zur Verdeutlichung und Zusammenfassung: Ä2381, Ä2382 sind für intraorale Zahnmedizin inhaltlich unzutreffend, da sie Haut-, keine Schleimhautplastiken darstellen. Zudem sind sie leistungsüberschneidend entweder mit 3100 GOZ (Wundverschlussplastik) oder 3240 (kleine, max. 2-Zähne breite Vestibulum-/Gingivaextensionsplastik).

Nach § 1 Abs. 1 GOZ hat für Zahn- und Fachzahnärzte die GOZ in derartigen Fallgestaltungen Vorrang. Das heißt, statt Ä2381 bzw. Ä2382 müssen die 3100, 3240 GOZ (ggf. alternativ die Ä2675) angesetzt werden.

Die GOÄ unterscheidet genau, welches Gewebe zu einer „Plastik“ verwendet wird:

  • Ä2380 Überpflanzung von Epidermisstücken
  • Ä2381 Einfache Hautlappenplastik
  • Ä2382 Schwierige Hautlappenplastik oder Spalthauttransplantation
  • Ä2383 Vollhauttransplantation
  • Ä2384 Knorpeltransplantat
  • Ä2385 Haartragendes Hautimplantat
  • Ä2386 Deckung mit Schleimhauttransplantat
  • Ä2390 Deckung mit freiem Hauttransplantat (über handflächengroß)

Wenn keine Spalthaut verwendet wird, sondern Schleimhaut, dann ist das größere Transplantat keine Ä2382, sondern die Ä2386.

Das klinische Wörterbuch „Pschyrembel“ sagt:

  • Definition der Haut: Cutis = Epidermis plus Dermis (Vollhaut), darunter die Subcutis
  • Die Schleimhaut: Mucosa = Mucosaepithel plus Mucosalamina, darunter Submucosa

Zum Schluss führte Dr. Menke zur Problematik der Erstattung aus: „Gebührenrechtlich ist der Sachverhalt klar. Geübte Praxis der Berechnung und Erstattung ist häufig die Berechnung der GOZ-Nummern 3100 oder 3240, obwohl der Leistungsinhalt teilweise gar nicht erfüllt ist und ggf. auch die Honorierung sehr unterschiedlich sein kann. Kostenerstatter weigern sich in Unkenntnis gebührenrechtlicher Gegebenheiten häufiger, die GOÄ-Nummern 2381 und 2382 zur erstatten.“

Die Schlussfeststellung zur Erstattung deckt sich mit den hundertfachen Erfahrungen der ZA AG im Laufe der Jahre, die Schlussfeststellung zur Berechnung nicht mehr. 

© Dr. Peter H. G. Esser

 

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