DZW-Artikel von Dr. Esser | Die ZA

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Inhalt

Wie in DZW 3. KW 2020 zum Schluss des Beitrages über die häufigsten Beanstandungen im privatrechtlichen Abrechnungsgeschehen des Jahres 2019 dargelegt, nahmen die Einwände zu Analogleistungen bei weitem den ersten Platz ein, aber das mit erstmals nicht mehr steigender Tendenz gegenüber den Zahlen der Vorjahre.

Die fünf häufigsten Analogleistungen bzw. Analogleistungskomplexe, gegen die Einwände vorgetragen werden, sind in abnehmender Fallzahl:

  1. dentinadhäsiv geschichteter Kompositaufbau für Kronenversorgung
  2. nondestruktives Ausligieren Bogen, Einfügen festsitzender Retainer
  3. präendodontischer Aufbau zur Wurzelkanalbehandlung
  4. Unterfüllung, Ausblockung/definitive SDA-Komposit(stift)krone
  5. Revisionsentfernung Altobturation bzw. Füllmasse im Wurzelkanal

Die auf den weiteren Plätzen folgenden zwei Leistungen in der Einzelstatistik sind

    6. PC-gestützte FAL, Modellauswertung/Kondylenposition/T-Scan und
    7. Kariesdetektoranwendung/Perforations-, Orifizienanfärbung etc.

Prozentzahlen des Analogiekomplexes (20,8 % der Gesamteinwände 2019)

Die 5 meistbeanstandeten Analogleistungen/-komplexe:

  1. adhäsiv geschichtet, kanalverankerter Kompositaufbau vor Krone 6,0 %
  2. nondestruktives Ausligieren Bogen, Einfügen festsitzender Retainer 4,1 %
  3. präendodontischer bakteriendichter Aufbau eines Zahnes 4,0 %
  4. Ausblockung, Unterfüllung/definitive SDA-Komposit(stift)krone 3,8 %
  5. Entfernung Altobturation/Entfernung Wurzelfüllmasse im Kanal 3,5 %

Diese fünf meistbeanstandeten Analogien bzw. Analogiekomplexe umfassen 21,5 % aller Einwände zur Analogberechnung. Diese wiederum machen 20,8 % der erfassten Gesamteinwände aus, stellen also bei weitem das umfangreichste und höchst arbeitsintensive Teilkontingent bei der Rechnungsbetreuung durch die ZA dar.

Es folgt der Komplex „Bemessen und Begründen“ mit 14 % Anteil am Gesamtaufkommen der Erstattereinwände. Mit diesem Komplex soll sich in einer zweiten Artikelserie beschäftigt werden, denn das scheint sehr nötig zu sein.

Reihenfolge der geplanten „Analogie-Serie“

Es sollen in aufsteigender Reihenfolge hier zunächst die Einwände zum 5. Komplex „Revisionsentfernung der Altobturation bzw. Füllmasse im Wurzelkanal“ betrachtet werden. Eine Leistungsbeschreibung, formuliert „im Wurzelkanal“ kann je Wurzelkanal einmal berechnet werden. Mehrmals im selben Wurzelkanal kann die beschriebene Leistung logisch nicht berechnet werden, denn diese ist erst nach Vollendung der Entfernung ansetzbar.

Bedeutung des § 10 Abs. 4 für die Analogberechnung

Eine „Bezeichnung der Leistung“ – die ja seitens des Rechnung legenden Zahnarztes formuliert wird – sollte neben der konkreten Angabe, wo und um welche zahnärztliche Verrichtung es sich präzise gehandelt hatte, auch die logische Ansatzhäufigkeit beschreiben: In § 10 Abs. 4 GOZ steht zur Berechnung der Analogleistungen, dass deren Bezeichnung für den Zahlungspflichtigen (Laien) verständlich zu erfolgen hat.

Dass bei unverständlicher Analogberechnung der Zahlungsanspruch des Zahnarztes nicht fällig wird, hat sehr deutlich das LG Kiel (27.09.2005, Az. 8 S 167/02)  herausgestellt:

Es fehlt an der gemäß § 10 (4) GOZ für eine Abrechnung nach § 6 Abs. 2 GOZerforderlichen verständlichen Bezeichnung der Leistung.“

Negativbeispiele zum Thema: „Revisionsbehandlung“, „Wurzelfüll-Entfernung“, „Beseitigung von natürlichen und nichtphysiologischen Penetrationshindernissen“ u. ä. Formulierungen, mal mehr, mal weniger verständlich und zutreffend. Man sollte sich an sorgfältig formulierte und beschlossene Beschreibungen von Analogleistungen halten, im Interesse einer höheren Verständlichkeit und Akzeptanz. Und wenn ein Verfahren vor Gericht erfolgreich war, der nächste Zahnarzt aber gleich wieder abweichend formuliert, muss man sich nicht wundern, dass der Sache und dem Inhalt nach an sich beispielhaft entschiedene Verfahren mit anderer Leistungsbeschreibung wieder und wieder aufgerollt werden.

(Siehe dazu die konsentierte „Analogtabelle“ im Onlineportal „ALEX“ und mehr zu den häufigsten Beanstandungen in Kursen mit Dr. Peter H. G. Esser.)

Grundsätze der Analogberechnung

Eine derartige Fallgestaltung (Klagen erfolgreich, viele widersprüchliche Formulierungen der Leistung) ist z. B. der Revisionsfall, bei dem unschwer für die Ausräumung der alten, voll mit Bakterien durchsetzten Wurzelfüllmassen aus einem Wurzelkanal die doppelte oder dreifache Zeit benötigt wird, im Vergleich zu einer vollständigen Erstaufbereitung.

Dieser nötige Zeitrahmen für die Entfernung der Altobturation (mit Stift/Stiften) bzw. der alten vorhandenen Wurzelfüllung kann logisch und offenkundig nicht in dem schmalen Zeitkontingent von ca. 10 vergüteten Minuten der Nr. 2410 GOZ enthalten sein.

Analogberechnung dem Grunde nach

Die seit Jahrzehnten von den wissenschaftlichen Fachgesellschaften geforderten Unterscheidung des Erstversorgungsfalls und eines Revisionsfalles in der Endodontie (Wurzelkanalbehandlung) wurde trotz entsprechender Argumente (völlig anderer Aufwand/nötige Förderung zwecks vorrangigen Zahnerhaltung etc.) bei der GOZ-Novellierung  nicht berücksichtigt, nur die Unterscheidung in Behandlungen mit einer Aufbereitungssitzung und mit nötigen zwei/mehreren Aufbereitungssitzungen.

Es wurde stattdessen auf den veränderten § 6 Abs. 1 GOZ  hingewiesen, der über den Weg der Analogberechnung solche Leistungen praktikabel berechnungsfähig macht, die nicht im Gebührenverzeichnis der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) enthalten sind.

Geändert hat sich mit Novellierung der GOZ auch der Paragraf 4 Abs. 2 GOZ, der nun zur Problematik „enthaltener Leistungen“ sagt:

„Eine Leistung ist methodisch notwendiger Bestandteil einer anderen Leistung, wenn sie inhaltlich von der Leistungsbeschreibung der anderen Leistung (Zielleistung) umfasst und auch in der Bewertung berücksichtigt worden ist.“

„Entfernung von Altfüllungsmaterialien“ vor der Kanalaufbereitung

In der Leistungsbeschreibung der Nr. 2410 GOZ’12 ist zahnmedizinisch inhaltlich gegenüber der Nr. 241 GOZ’88 die „retrograde Aufbereitung“ hinzugekommen und sicher auch bewertet worden (mindestens doppelt so schwierig, zeitaufwendig und materialintensiv wie die konventionelle „orthograde“ Aufbereitung).

Aber es gibt keinen Hinweis, weder in der Leistungsbeschreibung, noch in der Berechnungsbestimmung noch in den sogenannten amtlichen Begründungen zur Novellierung, auf enthaltene Entfernungsleistung vor Beginn der Aufbereitung.

Fakultative notwendige, selbständige „Entfernung von Altfüllungsmaterialien“ erfolgt nicht mittels Aufbereitung des Wurzelkanals. Diese Entfernungsleistung – zwangsläufig vor der Wurzelkanalaufbereitung – ist entweder fachgerecht und erfolgreich abgeschlossen, oder bei deren Nichtdurchführbarkeit muss die geplante Kanalaufbereitung nach Nr. 2410 GOZ und ggf. sogar der Zahnerhalt entfallen. Es handelt sich um eine entscheidend wichtige, Weichen stellende Leistung, die vor der Kanalaufbereitung gelungen sein muss!

Aufbereitung des Wurzelkanals besteht nämlich u. a. in der gezielt subtraktiven „feilenden“ Bearbeitung der Kanalinnenwände zum Abtrag von infiziertem Dentin. Dabei muss auch der Laie die Tatsache anerkennen, dass die Kanalwände solange nicht bearbeitbar etc. sind, wie sie z. B. mit hartem Zement „verstopft“ sind.

Die Entfernung der Altfüllung bringt keinen fest umrissenen Zeitaufwand mit sich, sondern hängt stark von der Beschaffenheit und Festigkeit dieses Altmaterials ab. Sie kann halbe oder ganze, auch mehrere Stunden dauern.

In kritischen Fällen wird diese Situation mit dem Patient vorab besprochen und ggf. eine Vereinbarung getroffen, wie lange der Entfernungsversuch des Altverschlusses zu welchem Preis fortgesetzt werden soll.

Moderne Endodontologie von Spezialisten rühmt sich, mit entsprechendem Aufwand fasst jedes Altmaterial entfernen zu können.

Ablehnende PKV Argumente zur Analogleistung

Zitat PKV: „Die Wurzelkanalfüllung hat zum Ziel, pulpale Gewebereste und Mikroorganismen zu eliminieren.“
Richtig ist, dass die Wurzelkanalaufbereitung dieses Ziel verfolgt, aber wohl, was die Mikroorganismen betrifft, nie gänzlich erreichen kann.

PKV: „Dies schließt die Entfernung einer alten insuffizienten (mangelhaften) Wurzelfüllung nicht aus.“
Das ist zutreffend, schließt allerdings auch nicht die Entfernung einer alten insuffizienten Wurzelfüllung ein.

PKV: „Zum Leistungsinhalt gehört auch die Entfernung von definitivem Wurzelfüllmaterial.“
Diese Behauptung ist weder nachvollziehbar abgeleitet, noch belegt und nicht richtig.

Aufmerksam sollte folgende Gegebenheit machen, welche die Inkonsistenz der PKV-Kommentierung illustriert:
In dem offiziellen Organ der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) „Zahnärztliche Mitteilungen“ (ZM Nr. 12 A, 16.06.2014, S. 40,41) werden Beschlüsse des Beratungsforums von BZÄK, PKV und Beihilfe veröffentlicht.
Beschluss Nr. 9:
„Die Entfernung nekrotischen Pulpengewebes vor der Aufbereitung des Wurzelkanals stellt eine selbständige Leistung dar und wird gemäß § 6 Abs. 1 GOZ analog berechnet. Aus grundsätzlichen Erwägungen empfiehlt die BZÄK keine konkrete Analoggebühr. Der PKV-Verband hält als Analoggebühr die GOZ-Nr. 2360 (Vitalexstirpation) für angemessen.“

Im Gegensatz zum Beschluss des GOZ-Beratungsforums steht der PKV-Kommentar zwecks Beleg der Abgeltung mit Nr. 2410: „Wurzelkanalfüllung hat zum Ziel, pulpale Gewebereste ... zu eliminieren.“ Kanalfüllungsziel ist also pulpale Resteeliminierung? Eine noch schrägere Fehldarstellung ist schwer möglich.

 

© Dr. Peter H. G. Esser